Mein Vater Horst Hörig 1914 - 1961

Horst Hörig und seine Tochter Petra

Horst Hörig und seine Tochter Petra im Lungensanatorium Hage (Ostfriesland), 1954. Foto: privat

Am 13. September 1961 beging mein Vater Selbstmord. Ich war damals elf Jahre alt. Ein schwerer Schock. Ich verstand es nicht. Er war doch nicht krank gewesen. Erst vierzig Jahre später sollte ich die Hintergründe für diesen Entschluss erfahren.

1914 wird mein Vater als erstes Kind der Eheleute Richard Wilhelm Hörig und Erna, geb. Richter, in Leipzig-Lindenau geboren. Die Kindheit verbringt er in Zittau. Dort betreibt sein Vater eine Seifenfabrik. Als mein Vater 9 Jahre ist, stirbt seine Mutter. Sein Vater heiratet ein zweites Mal und gründet eine neue Familie. Die Kinder aus erster Ehe werden außer Haus gegeben. Mein Vater kommt auf die Höhere Schule nach Kleinwelka/Bautzen, ein Internat. Danach besucht er ein Gymnasium in Köln. Hier wohnt er bei einer evangelischen Pfarrersfamilie. Nach beendeter Schule beginnt er eine Koch- und Konditorlehre. Er begeht kleine Diebstähle und wird aktenkundig bei der Fürsorge. Kontakte zu seiner Familie in dieser Zeit sind nicht bekannt.

In der Polizeiakte meines Vaters befindet sich eine Karteikarte, die ihn 1934 in die Verbrecherklasse Strichjunge einordnet. Er war in eine Razzia gegen Homosexuelle geraten und wurde ins KZ Lichtenburg eingeliefert. Sechs Monate muss er in Lichtenburg bleiben. 1937 wird er im Homosexuellendezernat der Geheimen Staatspolizei in der Prinz-Albrecht-Straße 8 sechs Tage lang verhört. Staatsanwalt Jenrich erhebt Anklage nach § 175a Ziff. 4 StGB (männliche Prostitution). Mein Vater bekommt ein Jahr und zehn Monate als Strafe. Seine Familie kümmert sich nicht um ihn. Einen Anwalt bekommt er auch nicht und muss alles allein durchstehen. Die Haft verbüßt er in Gefängnissen und im Straflager Oberroden/Hessen.

Karteikarte aus der Gestapoakte

Am 11.12. (1934) bei Gestapa eingeliefert, Karteikarte aus der Gestapoakte von Horst Hörig. Ende 1934/Anfang 1935 führte die Gestapo zahlreiche Razzien in Homosexuellenlokalen durch. Die festgenommenen Männer wurden im Geheimen Staatspolizeiamt (Gestapa) und in den KZs Columbiahaus und Lichtenburg monatelang verhört und gequält. Einen Rechtsstatus hatten sie nicht. LAB A Pr.Br.Rep.030-02-05, Nr. 143

Als er entlassen wird, ist er aus dem Tritt und wird wieder erwischt. 1939 geht es auch um Urkundenfälschung und Betrug. Aufgrund seiner Vorstrafen bekommt er nun Zuchthaus. Wieder ist er ohne jegliche Unterstützung. Nach verbüßter Haft kommt er nicht in Freiheit. 1944 wird er als Schutzhäftling in das KZ Sachsenhausen deportiert. Aus dem Archiv der Gedenkstätte erfuhr ich, dass er die Häftlingsnummer 077225 erhielt und im Homosexuellenblock 14 inhaftiert war.

Nach 1945 versucht mein Vater, ein bürgerliches Leben zu führen. 1947 heiratet er meine Mutter, Klara Zang. Aus dieser Ehe gehen sechs Kinder hervor. Zwei seiner Söhne begehen ebenfalls Selbstmord.

Text: Petra Hörig

Quellen

LAB A Rep. 358-02, Nr. 128078, 79 Ls 17/37
LAB A Rep. 341-02, Nr. 13256, 616 DLs 24/39